Im Büro in der Lübecker Straße 51...
...Interview mit Johanna Schubert-Ergün
Das Team vorm Büro, Foto: Masifunde
Foto: Masifunde
Foto: Masifunde
Vom Balkon zum Innenhof aus hat man einen Durchblick durch das Büro
Perspektiven wechseln! Die Weltkarte mal anders herum
Der Veranstaltungsraum im Untergeschoss
Ein Arbeitsplatz für die Ehrenamtlichen ist immer frei

Neuer Bildungsträger im Kiez: der Masifunde Bildungsförderung e.V.

„Global Gedacht, lokal gemacht!: einen Unterschied machen – hier und in der einen Welt!“ lautet das Motto des Vereins in der Lübecker Straße

von Gerald Backhaus

„Masifunde“ ist ein Wort auf IsiXhosa. Das ist eine der 11 Landessprachen in Südafrika. Es bedeutet so viel wie „Lasst uns lernen“. Masifunde Bildungsförderung e.V. wurde 2005 gegründet und setzt sich sowohl in Deutschland als auch in Südafrika für gleiche Bildungschancen für alle Kinder und Jugendlichen ein. Durch ganzheitliche schulische und außerschulische Bildungsprogramme werden sozial benachteiligte Heranwachsende in Südafrika gefördert, so der Ansatz. „Unsere Bildungsprogramme in Deutschland möchte Menschen dazu anregen einen globalen Blick auf lebensnahe Themen und Herausforderungen zu werfen und Raum für marginalisierten Stimmen und Perspektiven aus dem Globalen Süden bieten“, so Johanna Schubert-Ergün. In Südafrika schafft der Verein, dessen Sitz in Hessen und weiterer Standort neben Berlin Mainz ist, ganzheitliche und qualitative Bildungschancen im Walmer Township von Gqeberha (ehemals Port Elizabeth) und Nachbarorten. Durch Spenden finanziert Masifunde dort vielseitige Bildungsprogramme. In Deutschland trägt Masifunde dazu bei, dass Menschen ihre Perspektiven erweitern und für globale Zusammenhänge sensibilisiert werden, so dass Vorurteile abgebaut und Gleichberechtigung gefördert wird. 

„Alles, was in Moabit geht, geht in der Lübecker"

Wir treffen uns zum Interview im Masifunde-Büro in der Lübecker Straße 51, einem Ladenlokal, das sich über zwei Etagen erstreckt. Zum Team von Johanna Schubert-Ergün gehören drei weitere Angestellte, eine weitere hauptamtliche Projektkoordinatorin,  eine aus Südafrika stammende Süd-Nord-Freiwillige Person im Bundesfreiwilligenjahr sowie eine Werksstudentin. Das Büro hat der Verein im September 2022 bezogen. „Das ist die coole und aktive Straße in Moabit“, hat die junge Frau kürzlich gehört, und „alles, was in Moabit geht, geht in der Lübecker. Wir sind also genau an der richtigen Stelle gelandet.“ Johanna stammt aus dem Westerwald in Rheinland-Pfalz und lebte drei Jahre lang in Istanbul, bevor sie nach Berlin kam. Sie wohnt im Sprengelkiez im Wedding und hat Masifunde in Berlin mit aufgebaut. Dem gingen bei ihr viele Jahre ehrenamtliche Arbeit für den Verein in Mainz seit 2011 voraus. Dort studierte Johanna Soziale Arbeit und arbeitete danach zunächst als Sozialpädagogin. Nach der Elternzeit mit dem ersten Kind stieg sie hauptamtlich bei Masifunde ein. Sie war die erste Angestellte des Vereins. „Unsere Struktur hat sich quasi von selbst aufgebaut.“ Das war 2019. Damals arbeitete sie zunächst von daheim aus und in dem Co-Working-Ort „Tuechtig“ im Wedding. Sie findet es gut, bei ihrer Arbeit keine Chefetage über sich zu haben. Die höchste Instanz des Vereines ist sein Vorstand, der aus sechs Ehrenamtlichen besteht, von denen vier in Berlin leben.

Arbeiten mit Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen und das monatliche „Imbizo“ 

Als sich der Wunsch des Vereins nach eigenen Räumen manifestierte, zog Masifunde zunächst ins Büro einer Nichtregierungsorganisation in Charlottenburg. Das war eine Übergangslösung für ein Jahr, bevor es dann mit dem eigenen Büro in Moabit geklappt hat. Hier möchte sich Masifunde nun vor allem lokalen Projekten widmen. In der Bildungsarbeit des Vereins mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen geht es darum, die Welt global, also ganzheitlich und im Zusammenhang zu betrachten. Was das konkret bedeutet? Dass man sich zum Beispiel bewusst macht, dass eine in Deutschland verzehrte Avocado unter Umständen ausbeuterische Verhältnisse in einem anderen Teil der Erde bedeutet. Die Bildungsprojekte von Masifunde reichen von Themen wie Menschenrechte über Landwirtschaft und Umwelt bis hin zu Geschlechterdiskriminierung. Sie finden in verschiedenen Formaten statt. Es gibt Arbeitsgemeinschaften (AGs) und Kursen an zwei Berliner Schulen in Pankow und Charlottenburg unter dem Motto „Learn4Life!“ (Lerne für’s Leben), aber auch Veranstaltungsreihen wie das monatliche „Imbizo“. Dieses Wort auf Isixhosa bezeichnet eine „Zusammenkunft von Menschen, bei der Angelegenheiten besprochen werden, die für das Wohlergehen der Gemeinschaft wichtig sind“. Hier sollen vor allem marginalisierte Stimmen zu Wort kommen. Zuletzt gab es in diesem Rahmen am 20. Juni bei „Life Berlin“, einer lokalen christlichen Gemeinschaft in der Wilhelmshavener Straße, einen Abend zur Rolle der Kirche im Kontext von sozialer Gerechtigkeit und sozialem Wandel mit Dr. Henry Mähler-Nakashima. Der Referent ist Postdoc-Stipendiat am Zentrum für Sozialstudien der brasilianischen Universität Coimbra. Er beschäftigt sich seit 2005 mit den indigenen Völkern und traditionellen Gemeinschaften in Brasilien. 

Mit "Weltwärts" auf die Südhalbkugel und auch in die Gegenrichtung

Unter der Überschrift „Weltwärts“ betreut Masifunde Jugendliche und junge Erwachsene von 18 bis 27 Jahren, die ein Jahr im globalen Süden verbringen möchten. Flug, Unterkunft und Verpflegung, Versicherungen, ein Taschengeld von rund 100 Euro pro Monat und eine qualifizierte Begleitung und Betreuung werden bis zu 75 Prozent durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gefördert. Die verbleibenden rund 25 Prozent der Kosten bringen die Freiwilligen durch sogenannte Spenderkreise auf. Mittlerweile gibt es auch „Weltwärts reverse“, also auch in die andere Richtung. Gemeint ist damit, dass dieses Programm nun keine Einbahnstraße mehr ist, sondern dass auch Freiwillige aus dem globalen Süden für ein Jahr nach Deutschland kommen. Eine tolle Sache, findet Johanna, die selbst nach dem Abitur mit 18 Jahren ein Jahr lang in Südafrika lebte und sich aufgrund dieser Erfahrungen dann während ihres Studiums in Mainz der Hochschulgruppe von Masifunde anschloss. Leider besteht bei der globalen Zusammenarbeit zwischen Ländern in Nord und Süd nach wie vor ein Machtgefälle, dass sie so beschreibt: „Die Fördergelder kommen oft aus Deutschland und sollen auch hier ausgegeben werden.“ Doch das sei schwierig, wenn man mit ausländischen Partnervereinen oder -institutionen zusammenarbeiten möchte.

Neues Projekt

Ab Juli beginnt der Verein mit seinem neuen Projekt „Masifunde - lasst uns global lernen!“, das über drei Jahre lang läuft und u.a. von BMZ, der Landesstelle für Entwicklungszusammenarbeit Berlin (LEZ), Katholischen Fonds, Brot für die Welt und der Hessen Agentur gefördert wird. Es beinhaltet neben Fort- und Weiterbildungsreihen für Erwachsene auch Kiezgruppen für Jugendliche sowie den Podcast „Global gedacht“, in dem „marginalisierte und aktivistische Stimmen“ zu Wort kommen sollen. 

Büroeröffnungsfeier im Juli 

Am 7. Juli 2023 feiert Masifunde Bildungsförderung e.V., der von rund 40 Ehrenamtliche unterstützt wird, seine Büroeröffnung. „Wir haben gezielt dazu eingeladen, vom Quartiersmanagement bis zur Kirche,“ so Johanna. Ab Herbst soll die Akquise lokaler Akteure zur Zusammenarbeit weiter an Fahrt aufnehmen. Sie denkt dabei besonders an Familienzentren, Vereine und Schulen. Alle, die sich dafür interessieren, sind an dem Tag ab 16 Uhr herzlich willkommen. Los geht es mit Getränken, einem Imbiss und Spielen, bevor die „künstlerische Intervention" des hier lebende südafrikanische Fotograf ...thabo Thindi mit seiner Ausstellung „Black Faces in White Spaces“ (Schwarze Gesichter an weißen Orten) folgt, und danach eine Plenumsdiskussion zum Thema Globale Partnerschaft. Der Abend soll mit einem geselligen Beisammensein ausklingen. 

Schreibtische frei - Untermieter ab September gesucht

Auch wer Interesse an einem oder zwei Schreibtischen zur Untermiete im Masifunde-Büro hat, ist ab September 2023 hier herzlichen willkommen. Masifundes bisheriger Büropartner, das South African German Network (SAGE Net e.V.), zieht zum Ende August aus. Johannas Wunsch für die Zukunft: „Wir hoffen, weiter hier in Berlin, in Moabit und in unserem Büro anzukommen, uns noch stärker zu vernetzen und unseren Changemaker-Ansatz zu verbreiten.“ Mit diesem Ansatz „Wechsel-Macher“ ist gemeint, das ein Wechsel der Einstellungen in vielen Lebensbereichen wie zum Beispiel Landwirtschaft, Umwelt und Ernährung möglich ist, wenn die Menschen das möchten und vorantreiben.

Kontakt:

Masifunde e.V., Lübecker Straße 51, 10559 Berlin, Tel.  +49 (0) 30 45958300,  E-Mail: info@masifunde.dewww.masifunde.de

Informationen zu „Weltwärts“: https://www.weltwaerts.de/de/startseite.html

 Text & Fotos (wenn nicht anders gekennzeichnet): © Gerald Backhaus 2023